Im Tannenhof-Wohnzimmer fand kürzlich ein ganz besonderer Abend statt: Auf Initiative von Birgit Siewert, Ansprechpartnerin für das Tannenhof-Wohnzimmer, organisierten wir gemeinsam mit der VHS einen Vortrag mit anschließendem Gesprächskreis zum Thema „Suchterkrankungen verstehen und behandeln“.
Unsere Einrichtungsleiterin Bettina Neumayr moderierte den Abend und schuf einen Raum, in dem Fachwissen, persönliche Erfahrungen und ehrlicher Austausch aufeinandertreffen konnten. Im Mittelpunkt standen die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Hauses, die mit großer Offenheit und Mut über ihre eigenen Erfahrungen sprachen.
Frau Neumayr verband theoretische Inhalte mit den individuellen Lebensgeschichten der Teilnehmenden und machte deutlich, dass hinter jeder Suchterkrankung mehr steckt als „Konsum“ – nämlich menschliche Grundbedürfnisse: Bindung, Kontrolle, Selbstwert, Lust, Sicherheit. Bedürfnisse, die wir alle kennen. Wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten, kann der Griff zu Substanzen oder exzessivem Verhalten schnell zur Bewältigungsstrategie werden.
Ein bewegender Höhepunkt des Abends war der Beitrag von Hubert S., einem unserer Bewohner. In seinem selbst verfassten „Abschiedsbrief an Alki und Drogi“ erzählte er mit Humor, Tiefgang und erstaunlicher Selbstreflexion von seinem Weg – ein Moment, der das Publikum gleichermaßen berührte wie zum Nachdenken brachte.
Auch in der anschließenden Diskussion wurde deutlich, wie aktuell das Thema ist. Eine Zuhörerin brachte es auf den Punkt: In einer Welt, die von Unsicherheit, Leistungsdruck und Selbstoptimierung geprägt ist, wird es immer schwieriger, Halt, Orientierung und Selbstwert zu finden. Kein Wunder, dass viele Menschen versuchen, diese Lücken mit verschiedenen Mitteln zu füllen.
Frau Neumayr betonte, wie wichtig Prävention und Aufklärung schon im Kindes- und Jugendalter sind. Projekte an Schulen, in der pädiatrischen Versorgung und in der Elternarbeit können entscheidend dazu beitragen, frühzeitig Bewältigungsstrategien, Resilienz und emotionale Stärke zu fördern. Denn wer lernt, mit Krisen umzugehen, braucht sie später nicht zu betäuben.
Wir danken Birgit Siewert vom Tannenhof-Wohnzimmer und der VHS für die großartige Organisation – und unseren Bewohnerinnen und Bewohnern für ihre Offenheit, ihren Mut und ihre Stärke.
Respekt den Protagonistinnen und Protagonisten dieses Abends!
Sie haben gezeigt: Über Sucht zu sprechen bedeutet, über das Leben zu sprechen – ehrlich, berührend und mit Hoffnung.